Die Voraussetzungen eines wirksamen Wettbewerbsverbotes innerhalb eines Aktionärspaktes nach französischem Recht

Der französische Kassationshof (Chambre sociale) hat am 10.07.2002 drei Grundsatzentscheidungen gefällt, durch welche fünf kumulative Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes (« clause de non-concurrence ») innerhalb eines Arbeitsvertrages nach französischem Recht definiert wurden, insbesondere auch die Verpflichtung der Zahlung einer Gegenleistung. Für die Beurteilung der Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes ausserhalb eines reinen Arbeitsverhältnisses kommt es darauf an, ob diese arbeitsgerichtliche Rechtsprechung des Kassationshofes auf das entsprechende andere rechtliche Verhältnis übertragbar ist.

Der Kassationshof (Chambre commercial) hat insofern im Hinblick auf die Stellung als Arbeitnehmer-Gesellschafter am 15.03.2011 folgende Entscheidung getroffen: einem Arbeitnehmer wurden als “Bonus” für seine guten Dienstleistungen – gegen Zahlung eines symbolischen Kaufpreises von 1 Euro – Aktien an seinem Arbeitgeber, einer französischen vereinfachten Aktiengesellschaft (“société par actions simplifiée”), übertragen. Die von ihm unterzeichnete Gesellschaftervereinbarung (“Pacte d’associés”) enthielt eine Wettbewerbsverbotsklausel, deren Wirksamkeit im Rahmen des Rechtsstreits von dem Arbeitnehmer-Gesellschafter in Frage gestellt wurde.

Der Kassationshof hat Folgendes entschieden und damit explizit fast identisch die Rechtsprechung der Chambre sociale vom 10.07.2002 zur Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes innerhalb eines Arbeitsvertrages auch auf den oben dargestellten Sachverhalt (Arbeitnehmer-Gesellschafter) angewandt:

« Wenn die Folge einer Wettbewerbsverbotsklausel in der Beschränkung der Freiheit der Wiederaufnahme (« liberté de se rétablir ») eines Arbeitnehmers, Aktionärs oder Gesellschafters der Gesellschaft, die ihn anstellt, besteht, ist eine solche nur wirksam, falls sie unerlässlich für den Schutz der gerechtfertigten Interessen der Gesellschaft ist [Anmerkung: es handelt sich um den Grundsatz der Verhältnismässigkeit], zeitlich sowie räumlich begrenzt ist, den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers Rechnung trägt sowie die Verpflichtung der Gesellschaft zur Zahlung einer finanziellen Gegenleistung vorsieht, diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. »

« Aus diesem Grunde hat das Berufungsgericht durch seine Entscheidung, dass die Wirksamkeit einer Wettbewerbsklausel, die in einem Aktionärspakt enthalten ist, nicht von der Existenz einer Gegenleistung abhänge, das Prinzip der Berufsfreiheit und Artikel 1131 des Code civil missachtet. »

Ausserdem hat der Kassationshof im Rahmen dieser Entscheidung aussdrücklich hervorgehoben, dass die Berufungsrichter hätten untersuchen müssen, ob die Wettbewerbsverbotsklausel auch eine räumliche Begrenzung enthält.

Die Interpretation dieser Entscheidung, insbesondere bezüglich der genauen Reichweite der Anwendung der Prinzipien der Rechtsprechung der Chambre sociale vom 10.07.2002 zur Wettbewerbsverbotsklausel innerhalb eines Arbeitsverhältnisses, ist umstritten.

Nach Auffassung von Prof. Florence Deboissy und Prof. Guillaume Wicker steht jedenfalls fest, dass die Rechtsprechung bezüglich des Wettbewerbsverbotes eines Arbeitsvertrages Anwendung findet auf Fälle, in denen eine Person gleichzeitig eine Arbeitnehmerstellung und Gesellschafter- bzw. Aktionärsstellung innehat. Insbesondere liege der Entscheidung offensichtlich die Motivation zugrunde, die Gefahr der Umgehung der Voraussetzungen der Wettbewerbsklausel innerhalb eines Arbeitsvertrages durch Einfügen des Wettbewerbsverbotes in ein anderes vertragliches Dokument, das den Arbeitnehmer bindet, z.B. eine Gesellschaftervereinbarung, zu vermeiden.

Des weiteren wird u.a. von oben genannten Professoren angenommen, dass die Entscheidung vom 15.03.2002 zum Wettbewerbsverbot hinsichtlich eines Arbeitnehmer-Gesellschafters auch Anwendung findet auf ein Wettbewerbsverbot nach Beendigung der Funktion als reines Gesellschaftsorgan. Gegenteiliger Auffassung sind allerdings z.B. Prof. Alain Couret und Prof. Bruno Dondero.

Jedenfalls bedarf es nach verbreiteter Ansicht bei einer Person, die Organstellung und Arbeitnehmerstellung in sich vereinigt und in Bezug auf welche insbesondere die Tätigkeit als Arbeitnehmer dem Wettbewerbsverbot unterstellt werden soll, folgender Voraussetzungen für das Wettbewerbsverbot:   

  1. Unerlässlichkeit des Wettbewerbsverbotes für den Schutz der gerechtfertigten Interessen der Gesellschaft (Verhältnismässigkeit);
  2. zeitliche Begrenzung;
  3. räumliche Begrenzung;
  4. den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers wird Rechnung getragen;
  5. Verpflichtung der Gesellschaft zur Zahlung einer finanziellen Gegenleistung.

Dasselbe gilt gemäss der Rechtsprechung des Kassationshofes vom 15.03.2012 auch für eine Person, die Arbeitnehmerfunktion und Gesellschafterstellung/Aktionärsstellung in sich vereinigt, wobei der Kassationshof seine Entscheidung in erster Linie auf die Berufsfreiheit als Grundrecht (und auf die Artikel 1131 sowie 1134 des Code civil) fundierte.

In diesem Zusammenhang hat der französische Kassationshof (Chambre commercial) in einer älteren Entscheidung am 17.02.1982 auch entschieden: eine Wettbewerbsklausel innerhalb von Statuten einer Gesellschaft, welche einen Gesellschafter daran hinderte, 5 Jahre lang weltweit seine langjährige Aktivität als Experte weiter auszuüben, ist nichtig. Diese Entscheidung wurde allerdings auch im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter des Gesellschafters gefällt.

Zu den Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Voraussetzungen: Falls eine Wettbewerbsverbotsklausel gegen oben dargestellte Voraussetzungen verstösst, ist sie nichtig. Es handelt sich um eine relative Nichtigkeit, welche ausschliesslich vom Schuldner der vorgesehenen Verpflichtung auf dem Wege einer Nichtigkeitsklage im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens geltend gemacht werden kann; darüberhinaus kann die Zahlung von Schadensersatz eingeklagt werden.

Weiterhin ist nach der Rechtsprechung des Cour d’Appel von Paris ein vom Schuldner der Wettbewerbsverbotsklausel eingeleitetes Verfahren im einstweiligen Rechtschutz zulässig und begründet, und die Klausel wird vom Richter « ausgesetzt », falls diese offensichtlich unrechtmässig (« manifestement illicite ») ist.

Unabhängig von einer eventuellen Nichtigkeit einer Wettbewerbsverbotsklausel darf die Aktivität eines ehemaligen Arbeitnehmers bzw. Gesellschaftsorgans selbstverständlich nicht die Voraussetzungen des unlauteren Wettbewerbs erfüllen (« actes de concurrence déloyale »).

Membre du
Barreau de Paris

Avocat à la Cour

Mitglied der
Rechtsanwaltskammer Berlin

Rechtsanwältin